Du warst knapp 18 Jahre lang der Vorstand der Wirtschaftsförderung Wuppertal. Das ist eine ganz schön lange Zeit. Mit welchem Gefühl gehst du?
Volmerig: 18 Jahre sind eine wirklich lange Zeit. Die sind aber schnell vergangen, weil Wirtschaftsförderung eine unheimlich vielfältige und abwechslungsreiche Aufgabe ist. Inzwischen habe ich an dem Gedanken etwas Neues zu beginnen Freude gefunden und bin mit mir im Reinen. Ich denke, dass es an der Zeit ist, sich neuen Projekten im Privaten und speziell der Familie zu widmen. Ich gehe auch ganz entspannt, weil ich weiß, dass das Team der Wirtschaftsförderung weiterhin mit Engagement und Freude daran arbeiten wird, den Standort Wuppertal nach vorne zu bringen.
Du hast es gerade schon angesprochen: Die Themen, mit denen Wirtschaftsförderung zu tun hat, sind vielfältig. Sie sind aber auch abhängig von lokalen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen und deren Entwicklung. Wie hat sich die Ausrichtung der Wirtschaftsförderung Wuppertal seit Beginn deiner Amtszeit verändert?
Volmerig: Wirtschaftsförderung ist ein ständiger Veränderungsprozess. Zu Beginn meiner Amtszeit waren Clusterinitiativen ein riesiges Thema, also die Bildung von Netzwerken in verschiedenen Kompetenzbereichen wie Automotive, Health Care oder Metallverarbeitung und Werkzeugbau. Daraus haben sich zahlreiche Industriekontakte ergeben. In der nächsten Phase galt es, die daraus entstehenden Expansionen und Ansiedlungen zu begleiten. Es ist nach wie vor eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftsförderung, dass sie ansässige Unternehmen dabei begleitet, weiter zu wachsen und externe Unternehmen an den Standort zu holen.
Eine ganz wesentliche Veränderung war die Ausweitung des Aufgabenspektrums auf den Bereich Wohnen. 2005 haben wir zusammen mit der Kommune eine Analyse durchgeführt, welche Faktoren relevant sind, um Wuppertal positiv zu entwickeln. Dabei sind Defizite im Wohnungsbau herausgearbeitet worden. Als Folge haben wir dieses Handlungsfeld in unser Portfolio aufgenommen. Durch den Kollegen Alexander Buckardt konnten wir bereits viel Akquisitionsarbeit leisten, woraus neue Wohngebiete entstanden sind.
Gleichzeitig hat auch der Einzelhandel eine stärkere Bedeutung innerhalb der Wirtschaftsförderung gewonnen. Grund ist, dass der Veränderungsdruck und die Notwendigkeit zur Umstrukturierung des Handels am massivsten sind. Das Aufgabenfeld ist in zwei Stränge aufgeteilt: Einmal die Ansiedlung von Großunternehmen, wie IKEA oder Primark. Zweitens, die enge Begleitung kleiner, inhabergeführter Handelsunternehmen. Letztere müssen gestärkt werden, um die Innenstadt lebenswert und attraktiv zu halten. Dabei spielt natürlich die Digitalisierung eine zentrale Rolle. Als ein Modul wurde hierzu das Projekt Online City Wuppertal aufgesetzt, um genau diesen Digitalisierungsschub zu intensivieren und sehr persönlich und eng zu begleiten.
Als letzte Entwicklungsstufe ist die Übernahme von größeren Projekten zu nennen. Wie die Entwicklung des Smart Tec Campus, die eigenständige Entwicklung des Gewerbegebietes Vorm Eichholz oder die verantwortliche Realisierung kleinerer Wohngebiete.
Aktuell spielen die Themenfelder Digitalisierung, die Schaffung der hierfür notwendigen Infrastruktur und die Themen nachhaltiges Wirtschaften eine zunehmend wichtige Rolle.
Im Ergebnis findet also ein ständiger Wandel des Aufgabenspektrums statt und eine kontinuierliche Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen der Wirtschaft.
Welche Projekte werden dir besonders in Erinnerung bleiben?
Volmerig: Da gibt es viele spannende Projekte. Ein Projekt, das besonders herausragt, ist der Umbau des Döppersberg zu einem modernen Eingangstor zur Stadt. Gleichzeitig war das Projekt herausfordernd, da viele Partner eingebunden waren. Darunter internationale Investoren wie Signature Capital. Deren Interessen mussten mit den Investitionsbausteinen der Stadt in Übereinstimmung gebracht werden, um zu einem stimmigen Ganzen zu werden. Letztendlich ist es gemeinsam gelungen und heraus kam ein wirklich tolles Projekt.
Ein weiteres prägendes Projekt war die Ansiedlung von IKEA. Wegen des hohen Kaufkraftabflusses im Möbelbereich galt es, aktiv zu agieren und ein großes Möbelhaus anzusiedeln. Das ist mit Erfolg realisiert worden.
Ich erinnere mich aber auch gerne an eines der ersten Projekte. Damals suchte die Firma WASI, die zur Würth Gruppe gehört, einen neuen Standort. Sehr schnell konnte ein Grundstück erworben, ein B-Plan aufgestellt und die Ansiedlung von WASI in Ronsdorf an der A1 realisiert werden. Immer wenn ich vorbeifahre, freue ich mich über diese Ansiedlung, weil ich damals erst so kurz bei der Wirtschaftsförderung war und alles reibungslos geklappt hat.
Aus dem privatwirtschaftlichen Bereich sind der Umbau des Gaskessels und der Bau der Nordbahntrasse und die Junior Uni herausragende Projekte. Die haben wir zwar nur wohlwollend begleitet. Aber sie haben das Bild und die Mentalität der Stadt wesentlich verändert.
Auch unsere hausgemachten Veranstaltungsformate waren jedes Mal ein Highlight, wie die Investorentour Wuppertal INSIDE oder die Organisation des ersten deutsch-chinesischen Automobilkongresses in der Historischen Stadthalle. Mit diesen Formaten gehörten wir zu den Vorreitern unter den Wirtschaftsförderungen. Die Formate sind dann teilweise von anderen Kommunen übernommen worden. Kopie ist eben die höchste Form des Lobs.
Gibt es auch ein Projekt, das du gerne in Wuppertal realisiert hättest, was aber letztlich nicht zustande gekommen ist?
Volmerig: Ein lange gehegter Wunsch war es, Wuppertal noch intensiver zu einem Bildungsstandort zu entwickeln. Bildung ist die zentrale Ressource für die zukünftige Entwicklung von Großstädten. Die Bergische Universität hat unter dem Rektor Lambert T. Koch herausragendes geleistet. Die kirchliche Hochschule ist vor Ort. Ebenso die Wuppertaler Dependance der Musik und Tanz Köln. Im Segment der privaten Hochschulen und Bildungsträger ist die Technische Akademie Wuppertal, die FOM oder als jüngster Erfolg die HBK, die Hochschule für bildende Künste, die einen großen Ableger ihrer Zentrale in Essen am Standort präsent. Auch die IU, die Internationale Universität, wird am Standort Wuppertal 2022 aktiv werden.
Was aber eine tolle Ergänzung wäre, ist ein Fraunhofer Institut. Dort gibt es eine exzellente Verbindung von Forschung, Entwicklung und Praxisbezug. Ein solches Institut würde hervorragende Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region geben. Natürlich sollte es an die hiesigen Kompetenzschwerpunkte anknüpfen. Das wäre eine Zukunftsaufgabe, die in einem nächsten Schritt angegangen werden sollte.
Wo wir beim nächsten Schritt sind… Wie gut siehst du die Wuppertaler Wirtschaft für die Zukunft aufgestellt? Worin liegt ihr größtes Potenzial?
Volmerig: Mit über 363.000 Einwohner:innen und einer starken industriellen Basis, die in vielen Bereichen Weltspitze ist, hat Wuppertal eine hervorragende Ausganssituation, um sich weiter zu entwickeln. Der Trend geht zwar zu einer stärkeren Dienstleistungsorientierung, aber die Entwicklung von neuen Produkten und Ideen, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf Basis des vorhandenen Produktions-Know-hows im Werkzeugbereich, in der Metallverarbeitung, in Automotive… - das sind die Stärken auf die der Standort aufbauen kann.
Hinzu kommt, dass Wuppertal sehr stark durch familiengeführte Unternehmen dominiert ist. Die bringen eine hohe Dynamik und schnelle Entscheidungskompetenz mit. So können sie sich immer wieder neuen Herausforderungen und Trends anpassen. In dieser Kombination liegt riesiges Potenzial. Dazu kommen das starke bürgerschaftliche Engagement und die Netzwerke, die in Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung immer wieder in der Lage sind neue Leuchtturmprojekte hervorzubringen. Ein fantastisches Beispiel ist die Junior Uni, die rein privatwirtschaftlich finanziert wird und einen wichtigen Beitrag für die Hebung von Potenzialen unterschiedlicher Bildungsschichten bietet.
Wuppertal ist für mich ein außergewöhnlicher Standort, weil das soziale Engagement der Unternehmen einer der großen Motoren für die Entwicklung ist. Insofern muss man sich um den Standort Wuppertal keine Sorgen machen, wenn in die verschiedenen Kompetenzen von Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Verwaltung und Politik in einer konzentrierten Aktion gebündelt und die richtigen Weichen gestellt werden.